Donnerstag, 27. Juni 2013

20. Tag Denklingen - Overath -Köln, 32 km

Der Tag begann in Denklingen nasskalt, aber mit Kaffee und Gesprächen über Moskau und Russland in einer wunderbaren Herberge. 



Und es ward übern Tag nicht trockener und auch nicht wärmer.


Der Weg selbst führte über Landstraßen und Waldrandwege mehr oder minder direkt nach Köln. Das war gut. Woanders  wollte ich auch nicht mehr hin. Keine Kirche mehr, und auch keine Stempel, kein Gemeindehaus oder dergleichen Dinge, die den Pilger Orientierung geben. Ich wollte auch keine Knacker oder Jogurt mehr aus dem Supermarkt als Wegzehrung. Mich zog es direkt nach Köln. 

So entschloss ich mich, nach 30 km direkt die Vorortbahn - nicht mal über die DB-App konnte ich Tickets kaufen?! - nach Köln zu fahren. Und ich wusste sogleich, dass das merkwürdig werden würde, so schnell, zügig geradezu, und bequem obendrein! Und dabei wollte ich doch laufen!
Solcherlei Gedanken verflogen mit Blick auf meinen derzeitigen Zustand recht schnell: ziemlich unterkühlt, stark beansprucht, vor allem die Sehnen am Fußgelenk machen mir arg zu schaffen.  Da kommt eine Ruhephase gerade recht. 

Naja, und Freunde erwarteten mich in Köln, bei denen ich nun übernachte - bis es weiter geht mit Stephan, der  aus Berlin kommen wird. 

Damit geht für mich der zweite Teil meiner Reise zu Ende, nachdem ich in Naumburg allein weiter gelaufen bin. Mit Stephan wird sich der weitere Weg nach Paris nochmals anders entwickeln - und wohl von Aachen aus, wo die sog. Via Mosana beginnt, das Pilgerstück bis Bruly, an der franz. Grenze Belgiens. Das wird einerseits unterhaltsamer! Und andererseits ... naja, anders.


Ich werde sehen und gemeinsam mit Stephan einen guten Weg finden.

Weg entwickeln Antreiber.

s

19. Tag Siegen - Denklingen, 42 km

Von Siegen aus ging es heute los...in den Wald, steil bergauf, das nahm gar kein Ende. Die Jakobspilger nutzen ab hier die alte Handelsstraße Siegen-Köln, die Siegener Strasse.


Na, mittlerweile bin ich gut im Rhythmus und kam ordentlich voran. Vor dem Mittagessen 20, ist die Regel. Das war auch heute so, aber der Nachmittag sollte dann anders werden. Anders als was?


Gestern regte ich mich noch über die miserable Ausweisung des Jakobsweges auf. Heute weiß ich, dass ich recht hatte - und doch die tiefere Wahrheit damit nicht ausschöpfen würde. Aber hier ein seltenes Beispiel guter Ausweisung. Der Pfeil wird wie ein Verkehrschild im 90 Grad Winkel zur Strasse gemalt, so dass der Pilger ihn auch von weitem sieht (fotowert!), und nicht wie bei einem Spalier parallel, so dass man ihn erst sieht, wenn man auf gleicher Höhe vorbeiläuft...aber das ist nur eine Wahrheit.


Wie stets organisierte ich mir eine Unterkunft beim Mittagessen, indem ich verschiedene Möglichkeiten betelefonierte. Die passende fand ich schnell und die anstehenden 25 km waren ok für mich. 40 km-Etappen sind mittlerweile nicht mehr das, was sie noch vor zwei Wochen waren: undenkbar. Das Problem war eher, dass ich lediglich bis 19.00 Uhr Zeit hatte. Also ich hatte noch 5,5 Stunden. Das würde eng werden. 
Der entscheidende Punkt ist: ich habe mich 4x verlaufen, 5 zusätzliche Kilometer in den Beinen und bin nicht wie geplant angekommen. 

Die Wegmarkierungen sind nicht für Leute, die einfach mal schnell irgendwohin wollen! Die wollen gelesen werden, geradezu in ihrem Wesen erkannt. Sie wollen, dass man sich aufmerksam mit ihnen beschäftigt, man sich um sie bemüht, befragt, zuhört, drüber nachdenkt, was wohl gemeint sein könnte und die verschiedenen Möglichkeiten abwägt. Und all das mit Wohlwollen! Zuweilen zieren sie sich derart, dass sie einfach gar nicht erkennbar sind! Anscheinend erst bei innerer Ruhe und Gelassenheit zeigen sie sich, wohl aber nur einem Pilger reinen Herzens und reinen Glaubens. 
Das war ich heute beim besten Willen nicht, ich wollte ein reines Bett und sonst rein gar nichts, auch wenn es 45 km entfernt war. Und dafür hätte ich neben Himmel, auch die Hölle in Bewegung gesetzt.  Solchen Leuten sind die Pilgerwege jedoch  verwehrt!  Wer Sport machen will oder es sonst eilig hat, soll andere Wege nutzen. Das Tat ich heute - unfreiwillig - zur Genüge. 


Dafür habe ich dieses Zeichen nicht übersehen (können)...


...und war irgendwie  froh, schnell unterwegs zu sein. Es thront übermächtig groß über dem Dorf im Tal, von wo es aus erkennbar ist. 

Andererseits ist diese Kirche hier in Oberfischbach ein echtes Juwel - und innovativ im Baustil; das Gemeindehaus wurde kurzerhand an die Kirche angebaut, und fügt sich wunderbar ein. 


Wege entwickeln Normalität.

s

Dienstag, 25. Juni 2013

18. Tag Ewersbach - Siegen, 32 km

Viel war heute nicht los auf der Strecke. Dabei jedoch wühlte sich im Kopf der Inhalt des Plakates meiner letzten Herberge zu einem gewissen Sinn. 


Ich ließ es also - erst recht nach dem gestrigen Tag - langsam angehen...und lief bis Siegen.

Die Gegend ist nach wie vor schön zu laufen und mittlerweile Nordrhein-Westfalen. Die sog. "Langen Hessen" sind damit auch zu Ende. 

Die Ländergrenze habe ich im Übrigen mitten im Wald jenseits der Wege passiert, weil mich die gelben Pfeile mehrmals im Kreis führten. (Es lag nicht an unserem Telefonat, Lars! ;-))

Dann möchte ich hier und jetzt einmal den leeren Raum nutzen, um ein Dankeswort über meine Kamera zu verlieren. Sie ist durchaus schwer, ja, ok. Aber sie spart mir tatsächlich auch Wege - neben ihrer eigentlichen Funktion. Sie ist das beste Fernglas überhaupt! Wenn die nächsten Pfeile etwa nicht erkennbar sind und ich zu einem 200 m entfernten Verkehrsschild oder Baum schauen muss,  ob dort eine Markierung steht oder sonstige Aufkleber, dann mache ich mit dem 35fach opt. Zoom ein Foto und kann es auf dem Display nochmals vergrößern und sogar erkennen, ob der Pfeil neu ist oder bereits übertüncht wurde, und seit wann die Farbe trocken ist. Danke, Canon!

Nun. Siegen. Mitten in den Berghängen eingebaut. Nett zu sehen, anstrengend zu laufen. Ansonsten Geburtsstadt Rubens. Und? Naja, Mitte der 1970er mal so richtig auf Vordermann gebracht...Morgen geht's weiter.

Wege entwickeln rhythmisch.

s

17. Tag Marburg - Ewersbach, 41 km

In Marburg gemächlich gestartet, dann aber durch!

So recht verstand ich nicht, weshalb meine Beine heute so ungebremst rotierten: vielleicht ahnten sie, dass es heute etwas länger dauern würde mit einer Unterkunft. Aber der Reihe nach.

Aus Marburg raus zu kommen, war nicht ganz einfach, da neben den gelben Pfeilen, den Pilgerschildern und den Elisabethzeichen, eine Unmenge anderer Hinweisschilder existieren. 


 Auch wenn dem geübten Pilgerauge die gelben Pfeile im Dickicht des Schilderwaldes nicht entgehen, hält Marburg besonders perfide Probleme parat, woran Elisabeth noch den geringsten Anteil hat. Zwar nutzte sie auf Ihrem Weg von Eisenach nach Marburg die alten Handels- und Wege der Jakobspilger, was zu einer gewissen parallelen Wegführung beitrug, legte sich dann aber hier in Marburg zur Ruhe. Oder wurde es. Das ist an sich nicht verwerflich, und für Eisenach-Starter unproblematisch.  Aber nun gibt es Elisabethwege auch aus Frankfurt/Main und Köln, die nach Marburg führen und auch mit gelben Pfeilen markiert wurden. Gleichzeitig sind die Wege dorthin von Marburg weg aber richtige Jakobswege! Also die nach Westen führen, nach Santiago. Hätten jetzt nicht Übereifrige die Elisabethwege als Pilgerwege auch mit gelben Pfeilen markiert, sondern allein mit Elisabethzeichen, wäre alles schick. Ist es aber nicht. In Deutschland, so scheint mir, gibt es die einzigen gelben Pfeile, die nicht nach Westen zum Grab des Jakobus führen, sondern von Köln aus und Frankfurt (ungeprüft!) nach Marburg. Ganz Marburg wimmelt also von gelben Pfeilen, die, passt man nicht auf, wieder "zurück" zur Elisabethkirche führen. 

Als ich dann aber die richtige Richtung (aus der Stadt) gefunden hatte, schauten die Wanderhinweise typischerweise so aus:


 Hier war noch deutlich, das die gelben Pfeile nicht das gleiche Ziel anzeigten, woanders war das schwieriger herauszufinden.

Deshalb eine Merke für Markierer: Gelbe Pfeile zeigen den Pilgerweg nach Santiago, die sog. Jakobswege oder Wege der Jakobspilger. Andere Pilgerwege, andere Zeichen.

...kaum aus der Stadt raus, rein in den Wald!


...und dann das!


...genau genommen das...


Das Herrchen, das hier fehlt, fehlte nicht nur auf dem Foto! Und die Fotos zeigen, dass ich am Boden hocke, weil ich mein Pfefferspray im Rucksack hatte, statt  griffbereit an der Fotoapparattasche. In Marburg steckte ich es weg und trug es nicht offen umher; ebenso das Taschenmesser (bei dem Vieh? Eh zwecklos!)...und die Trekking-Stöcke hatte ich bereits in Eisenach abgegeben... 
...Wie auch immer, bereit, heute Abend keinen Blog schreiben zu können, ging ich bewaffnet mit Pfefferspray und Taschenmesser meinen Weg weiter...und der Hund verschwand! Also, er haute ab und lief zurück! Jetzt war ich nicht mehr zu halten. Nicht, dass ich hinterhergerannt bin, aber ich ging deutlich entschlossener und schneller.

Eine Weile später sah ich ihn angekettet wieder, dieses Hässchen von Hündchen ...und sein Herrchen, der ihn wegen dessen lauten Bellens wohl zu sich gerufen hatte. Das habe ich wohl nicht gehört gehabt. jedenfalls fragte mich das Herrchen, ob er mich erschreckt hätte. "Naja", sagte ich, "wir hatten wohl beide Sch... voreinander." 

Ich ging weiter mit dem Entschluss zu prüfen, ob es erlaubt ist, Pfefferspray griffbereit in der Stadt zu tragen. 

Einiges lag noch vor mir! Und das waren nicht die Täler, sondern ganze Hügelketten! 



...und nirgends eine Unterkunft, überall Ingenieure, Monteure oder geschlossene Pensionen. Die Etappe würde länger werden, und ist es dann auch. Dafür war die Abendsonne aber ein schöner Zieleinlauf. 



Hier in Ewersbach, 40 km von Marburg und etliche Hügel entfernt, fand ich dann eine Ferienwohnung für die eine Nacht - und schreibe doch noch meinen Blog heute Abend (ohne Internetverbindung)! Wäre doch gelacht gewesen! 



Wege entwickeln Kraft.

s

Sonntag, 23. Juni 2013

16. Tag Stadtallendorf - Marburg, 26,5 km

Marburg. Ende des Elisabethweges von Eisenach. 185 km. Wunderschöner Weg mit Marburg als würdigem Ende.








Seit Leipzig 385,5 km. Zwischenstation. Mittlerweile bin ich in einem guten Rythmus, fühle mich jeden Tag stärker und genieße das unglaublich gute, abwechslungsreiche Wetter.



Heute gab's dann auch wieder Regen...


...ein Regenhut ist ein traumhaftes Teil, absolut empfehlenswert für Leute, den das Kapuzengeraschel auf die Nerven geht. Fast wie bei einem Regenschirm hat man das (psychologisch wichtige) Gefühl, im Trockenen zu bleiben, statt nur die Nässe abzuhalten. 

Untergebracht bin ich wieder im evangelischen Gemeindehaus Marburgs; mittlerweile kategorisiere ich Gemeindehäuser, ohne dass hier vertiefender zu veröffentlichen. Jedenfalls bin ich überall willkommen und werde mit wohltuender Zurückhaltung aufgenommen. Ich muss weder viel erzählen, noch werde ich abgewürgt, wenn's mich mal überkommt. Passt.

Hoffentlich geht's Morgen dann auf dem Weg nach Köln mit gelben Pfeilen in meine Richtung weiter. Meine ist in diesem Falle die richtige Richtung, da ich mich ja in Richtung Santiago bewege. Der Elisabethweg von Köln nach Marburg ist insofern keiner der Jakobswege, sondern eben ausschließlich ein Elisabethweg. Wie's auch sei, ich will die gelben Pfeile. Ich will's einfach! 

Einfach Wege entwickeln.

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